Fünf Jahre nach Kriegsende erschüttert eine Serie von rätselhaften Morden Frankfurt am Main.
Hasso Kronstein, der durch das NS-Regime den Lebensgefährten verlor, wird Zeuge, wie im Namen der Moral gegen Homosexuelle vorgegangen wird. Anfangs sind nur Strichjungen und Freier betroffen, doch dann ufern die Maßnahmen aus und reißen auch Hasso in einen Strudel unheilvoller Ereignisse. Kriminalsekretär Konrad Große versucht, Licht ins blutige Dunkel zu bringen. Er stößt auf Spuren, die sein Bild von Gerechtigkeit und Ordnung aufs Äußerste erschüttern, als er feststellen muss, dass nicht nur der mutmaßliche Mörder dunkle Geheimnisse zu verbergen hat.
Mit Ende des NS-Regimes bot die junge Bundesrepublik für Homosexuelle keine ersehnte Befreiung, sondern bedrohte ihr Leben durch Hetzjagden und Verurteilungen. Deutlich wurde das im Frankfurt der 50er Jahre durch eine Kette spektakulärer Prozesse. An wahre Begebenheiten angelehnt, lässt dieser spannungsvolle, historische Kriminalroman jene fast vergessenen Vorkommnisse wieder auferstehen. Als Andenken und Mahnung, und zugleich mit einer anrührenden Liebesgeschichte verbunden, hält „Judasengel“ die Erinnerung an die schwierigen Anfänge des schwulen Lebens hierzulande wach.
Von Anfang an war ich entsetzt darüber, wie wenig über die Homosexuellen-Prozesse bekannt war und dass kaum jemand etwas davon gehört hatte – selbst Ältere nicht! Mein Hauptbestreben war, dieses Kapitel vor dem Vergessen werden zu bewahren und den Opfern von damals in irgendeiner Form ein Denkmal zu setzen. Damit sie nicht umsonst gelitten haben! Zu meiner großen Freude stieß Van-Tien Hoang auf mich, der sich für das Schicksal von Homosexuellen in den Fünfziger Jahren interessierte. Er verbiss sich förmlich in diese Sache und hatte sogar das Glück einen Zeitzeugen zu finden, der neben Otto Blankenstein auf der Anklagebank saß. Van-Tien Hoang hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das dunkle Kapitel filmisch bearbeiten zu können. Seine Bemühungen wurden durch Fördergelder belohnt. Ich fühle mich geehrt, dass ich vorab mich mit ihm bereits zum Gespräch treffen durfte. Ich wollte die Erinnerung an die damalige juristische Katastrophe aufrecht erhalten und es ist mir nicht nur gelungen, einen zweiten dafür zu interessieren. Er wird sogar noch dafür sorgen, dass sich die Informationen noch weiter verbreiten. Der, ins Wasser geworfene, Stein zieht immer größere Kreise. Hurra! Liebe Opfer von damals: Ihr seid nicht vergessen!
Zwei Menschen waren sehr wichtig für mich bei der Entstehung des Romans.
Bernd Aretz hat mir die Kopie einer Abhandlung über die Vorkommnisse des Jahre 1949 bis 1951 zukommen lassen und ist daher für das Fundament der Geschichte mit verantwortlich.
Heinz Lange hat mir viel und ausführlich über das Leben seines Vaters erzählt und mir dadurch den Alltag im Frankfurt der Nachkriegszeit veranschaulicht. An Beide ein herzliches Dankeschön!
Zu den Menschen, die damals unbeschreiblich wichtig – und auch mutig waren, gehört zweifelsohne Hans Giese. Er machte sich damals schon für die Rechte der Homosexuellen stark.
Roger Baldwin, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation ACLU, war im November 1950 bei einer Veranstaltung in der Paulskirche zum Gedenken der Weimarer Republik. Er sprach den Minister Egidi an und vielleicht ist es auch seiner Initiative zu verdanken, dass die übereifrigen Aktivitäten der Frankfurter Justiz gestoppt wurden.
Es gab damals aber auch Menschen, die ein wichtiger Bestandteil der Geschehnisse waren und großen Anteil an manchem verhängnisvollen Schicksal von damals hatten.
Otto Blankenstein war der Kronzeuge der Anklage von zweifelhaftem Ruf.
Zwei weitere Personen, die für das Unglück von Vielen verantwortlich waren, sind Kurt Ronimi (links), Obergerichtsrat und Fritz Thiede, damals ein junger Staatsanwalt.
Das “Klapperfeld”, eigentlich Untersuchungsgefängnis, wurde damals auch als generelle Haftanstalt genutzt. 2013 habe ich eine Nacht in einer Zelle verbracht. Es waren die unheimlichsten Stunden meines Lebens. geschlafen habe ich nur wenig.
Der Goetheturm war damals nicht nur Ausflugsziel für Spaziergänger am Tag. Auch in der Dämmerung war er gut besucht – als Cruisingarea.
Sommer 2013 – ich suchte die Adressen von schwulen Lokalitäten auf, die es 1950 in Frankfurt gegeben hatte.
Eines der zentralen Lokale, welche am selbstbewusstesten für die Homosexuellen eintrat, war der Felsenkeller, Luginsland 1. Damalige Wirtin war Betty Peters. Das Lokal, das schon vor der NS-Zeit als Treffpunkt von Homosexuellen galt, änderte seinen Namen während des “Tausendjährigen Reiches” in Freya, kehrte aber 1949 wieder zum “Felsenkeller” zurück. Bereits 1949 erwirkte Betty Peters Tanzerlaubnis für Männer untereinander. 2013 – genau, als ich dort war, wurde das Haus leider abgerissen.
In der Kleinen Bockenheimer Straße – zwischen der Fressgasse und der Goethestraße – lagen die “Rote Katze” (rechts im Bild), welche von der Wirtin Ernestine Köberl geführt wurde.
Links im Bild ist die “Barbarina” zu sehen. Obwohl mit einem Mann verheiratet, war es ein offenes Geheimnis, dass die Wirtin Alice vor allem ihrer Geliebten Johanna zugewandt war. Daher war das Lokal auch ein Magnet für viele Lesben.
In der heutigen Fressgasse lag damals das “Bermuda-Dreieck”. Hier, wo dieses Gebäude steht, befand sich früher ein Haus, in dessen Obergeschoss sich das “Kleist-Casino” befand – auch genannt “die Hochschule”. Vielleicht ist es sogar noch das Erdgeschoss des gleichen Hauses selbst, das hier übrig geblieben ist. Den Spitznamen erhielt das Lokal nicht wegen der erhöhten Lage, sondern weil hier vor allem Akademiker verkehrten. Die Homosexuellen wurden hier geduldet – vielleicht auch deswegen, weil ein Angestellter der Stadt im Lokal die Vergnügungssteuer kassierte.
Heute ist hier das Japancenter. Damals, 1950, befand sich dort das “Taunus-Thor” – Stadttor und Nachfolger des alten Gallustores. Das Taunus-Thor war bekannt für Pikantes. Hier waren Strichjungen anzutreffen. Bei gutem Wetter flanierten in der angrenzenden Taunusanlage zahlreiche Strichjungen.
Im Holzgraben lag das “Petit Moulin la Rouge”. Das Lokal, das dem Wirt Roland Hoffmann gehörte, war bekannt für sein “junges Gemüse”. Hier waren vor allem auffallend junge “Männer” anzutreffen.
Die Mainterrassen mit dem Wirt Max Semmler hatten bei den Behörden keinen besonders guten Ruf. Hier verkehrten Transvestiten, Künstler, Homosexuelle, Lesben und anderes “liederliches Volk”. Obwohl damals um 23.00 Polizeistunde war, wurde geduldet, dass in den Mainterrassen das Treiben erst dann begann. Makabererweise zog in exakt jene Räume später das Ordnungsamt ein – ausgerechnet jene Behörde, welche damals so vehement gegen das Treiben der Homosexuellen kämpfte!
Februar 2013 – Reinhard Redhardt, im Jahr 1950 in Frankfurt Rechtsmediziner der Forensischen Psychiatrie, erklärte sich im Februar 2013 bereit, sich meinen Fragen zu stellen. Anfangs wich er den direkten Fragen noch aus, doch im Laufe des Nachmittags öffnete er sich immer weiter. Er schloss so manche Wissenslücke und verband damit einzelne Fragmente, die mir unerklärlich und zusammenhangslos erschienen waren.
es folgten Besuche in Zeitungsarchiven und in der Zentralbibliothek. Zeitungen, Adressbücher – nichts war vor mir sicher.
2007 – Auf einer seiner großartigen Kulturführungen stoppte Christian Setzepfandt vor dem Landgericht Frankfurt. Damals hörte ich zum ersten Mal den Namen Otto Blankenstein und erfuhr von den Homosexuellen-Prozessen. Ich wurde neugierig und begann, zu recherchieren.